Lagebericht
Geschäftsjahr 2022
Die SERV konnte im Geschäftsjahr 2022 neue Versicherungspolicen in Höhe von CHF 3,296 Mrd. für die schweizerischen Exporteure ausstellen. Die Erlöse aus Prämien beliefen sich auf CHF 156,1 Mio. Dazu kamen neue Grundsätzliche Versicherungszusagen in Höhe von CHF 1,434 Mrd.
Das Neuengagement war mit einem Wert von CHF 3,296 Mrd. markant höher als im Vorjahr (CHF 1,933 Mrd.). Daraus resultierte auch ein deutlich höherer Prämienerlös von CHF 156,1 Mio., was dem zweithöchsten Erlös seit Bestehen der SERV entspricht. Zu den hohen Prämieneinnahmen haben vor allem Käuferkreditversicherungen für grosse Infrastrukturprojekte und Projekte im Textilsektor in den Ländern Ägypten, Ghana, Türkei, Usbekistan und Vereinigtes Königreich beigetragen. Insgesamt wurden durch 56 Käuferkreditversicherungen deutlich mehr langfristige Kreditlaufzeiten versichert als in den Vorjahren. Die höchste Einzelprämie wurde aus einem grossen Eisenbahninfrastrukturprojekt in der Türkei generiert, bei dem die SERV die britische Exportkreditagentur (ECA) UKEF für den schweizerischen Anteil am Projekt rückversicherte.
Der Versicherungsertrag von CHF 131,5 Mio. enthält auch Zinserträge aus Umschuldungen von CHF 10,1 Mio. Nachdem im Vorjahr ungewöhnlicherweise ein negativer Schadenaufwand (Ertrag) von CHF 5,9 Mio. verbucht werden konnte, ergab sich im Jahr 2022 wieder ein überdurchschnittlich hoher Schadenaufwand von CHF 96,9 Mio. Wenig überraschend war die Tatsache, dass die SERV höhere Rückstellungen für drohende Schäden in Russland bilden musste. Obwohl bei einigen versicherten Projekten in Russland und Belarus Tilgungen ohne Verzögerungen geleistet wurden, mussten bei anderen versicherten Geschäften Fälligkeiten restrukturiert werden. Dort wo Zahlungen über die Karenzfrist hinaus überfällig blieben, musste die SERV gemäss ihren Bilanzierungs- und Bewertungsgrundsätzen (BBG) Rückstellungen bilden. Auch für Folgejahre ist noch mit einem signifikanten Einfluss aus den versicherten Geschäften nach Russland zu rechnen.
Erlöse aus Prämien
in CHF Mio.
156
Neuengagement
+71%
Der Umschuldungserfolg lag mit CHF 14,7 Mio. über dem Niveau des Vorjahrs (CHF 11,7 Mio.). Der Personal- und Sachaufwand war ungefähr auf dem Niveau des Vorjahres. Auch der Finanzerfolg war mit CHF 1,2 Mio. wieder positiv. Insgesamt resultierte damit ein Betriebserfolg von CHF 29,3 Mio. Die SERV konnte erstmals seit 2016 wieder Zinserträge aus bei der Bundestresorerie angelegten Geldern erwirtschaften. Daher überstieg der Unternehmenserfolg den Betriebserfolg um CHF 17,4 Mio.
«Mit dem Team Switzerland Infrastructure haben wir ein gutes Instrument, um die Kompetenzen der Schweizer Industrie in den Käufermärkten und die attraktiven Finanzierungsmöglichkeiten mit einer SERV-Deckung zu vermarkten.»
LARS pONTERLITSCHEK
Chief Insurance Officer
Marketing & Akquisition
Die SERV konnte ihr Akquise-Team im Jahr 2022 um zwei Stellen erweitern und dadurch ihre Pathfinding-Initiative weiter vorantreiben. Durch aktives Marketing in den Käufermärkten ermöglicht sie den schweizerischen Exporteuren den Zugang zu internationalen Grossprojekten – vor allem im Infrastrukturbereich. Gemeinsam mit dem SECO, Switzerland Global Enterprise (S-GE), Swissmem und Swissrail bildet die SERV international das «Team Switzerland Infrastructure», das gemeinsam die Kompetenzen der Schweizer Industrie für Infrastrukturprojekte in den Käufermärkten und die attraktiven Finanzierungsmöglichkeiten mit einer SERV-Deckung vermarktet; unter anderem auf einer Reise des Bundesrats Parmelin nach Indien im Oktober 2022.
Im Jahr 2022 konnte die SERV über die Pathfinding-Initiative drei Projekte versichern. Dabei kamen bislang 30 Exporteure mit Unterlieferverträgen über insgesamt CHF 175,0 Mio. zum Zuge. Für das Jahr 2023 befinden sich bereits wieder einige neue Projekte in der Pipeline. Ausserdem hat die S-GE im Rahmen der Initiative des Bundes «Zugang zu Grossinfrastrukturprojekten für Schweizer KMU» sogenannte Infrastructure Experts engagiert. Diese identifizieren in den sechs Fokusländern Brasilien, Indien, Indonesien, Südafrika, USA und Vereinigte Arabische Emirate interessante Infrastrukturvorhaben für Schweizer Lieferanten. Die SERV rechnet deshalb auch für die kommenden Jahre mit erhöhter Nachfrage.
Ein wichtiger Baustein für den Zugang von Schweizer Lieferanten zu Infrastrukturprojekten ist die Ansiedlung von Generalunternehmen (EPC) in der Schweiz. Derzeit steht die SERV mit 14 EPCs in regelmässigem Austausch für die Abwicklung von Infrastrukturprojekten. Insgesamt sieht sich die SERV auf einem guten Weg bei der angestrebten Transformation hin zu einem «Trade Facilitator».
Entwicklung des Neuexposures und des Neuengagements
Im Jahr 2022 genehmigte die SERV 701 neue Anträge, davon 582 Versicherungspolicen (VP) und 119 Grundsätzliche Versicherungszusagen (GV). Der Wert von 701 Anträgen ist deutlich unter den früher erreichten Zahlen. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass es eine Tendenz dazu gibt, Unterlieferungen zu bündeln. Das heisst, dass die SERV formal einen Versicherungsnehmer als Kunden hat, beispielsweise ein EPC oder einen sogenannten Packager. Dieser einzelne Kunde führt jedoch eine Vielzahl kleinerer Unterlieferanten zu einer Transaktion unter seinem Vertrag zusammen. Das Neuengagement stieg um rund 71 Prozent auf CHF 3,296 Mrd. Die Grössenordnungen der versicherten Geschäfte bewegten sich wie gewohnt in einer grossen Bandbreite und lagen zwischen CHF 16 547 und CHF 390,0 Mio. Wie üblich versicherte die SERV vor allem Geschäfte für KMU, die ca. drei Viertel der VP erhielten. Jedoch tragen die fünf grössten Einzelengagements bereits fast 40 Prozent zum gesamten Neuengagement bei. Die wichtigsten Zielländer der versicherten Exporte waren Türkei, Usbekistan und Vereinigtes Königreich (Grossprojekt mit Garanten aus Luxemburg). Anders als in den Vorjahren entfielen durch die vergleichsweise vielen ausgestellten Käuferkreditversicherungen zwei Drittel des Neuengagements auf Kreditgeschäfte mit Laufzeiten von mehr als 2 Jahren.
Von 2017 bis 2021 ging die Nachfrage nach Fabrikationskreditversicherungen und Bondgarantien sowohl anzahl- als auch exposuremässig laufend zurück. Im Jahr 2022 wurden diese Liquiditätsprodukte wieder vermehrt von den Exporteuren nachgefragt. Die Anzahl der ausgestellten Fabrikationskreditversicherungen nahm 2022 von 39 auf 47 zu. Auch bei den ausgestellten Bondgarantien war ein Anstieg von 143 auf 159 zu verzeichnen. Insgesamt stieg das Neuengagement aus diesen Produkten um CHF 123,1 Mio. auf CHF 591,7 Mio.
Das Volumen neu ausgestellter GV war mit CHF 1,434 Mrd. im Jahr 2022 rückläufig. Auffällig war, dass viele GVs für Geschäfte auf dem afrikanischen Kontinent ausgestellt wurden, so beispielsweise für Ägypten, Algerien, Kamerun, Nigeria, Senegal, Tansania oder Togo.
ENGAGEMENT &
Neuengagement
engagement und neuengagement nach regionen
in CHF Mio., Stand am 31.12.
ENGAGEMENT UND NEUENGAGEMENT NACH BRANCHEN der Exporteure
in CHF Mio., Stand am 31.12.
ENGAGEMENT UND NEUENGAGEMENT NACH Ländern*
in CHF Mio., Stand am 31.12.
ENGAGEMENT UND NEUENGAGEMENT NACH OECD-LÄNDERRISIKOKATEGORIEN
in CHF Mio., Stand am 31.12.
ENGAGEMENT UND NEUENGAGEMENT NACH Grösse
in CHF Mio., Stand am 31.12.
ENGAGEMENT UND NEUENGAGEMENT NACH Laufzeit
in CHF Mio., Stand am 31.12.
Exposure & Engagement
Das Exposure der SERV lag per 31. Dezember 2022 bei CHF 10,174 Mrd. und war damit CHF 250,5 Mio. höher als zum Vorjahresstichtag. Das Engagement betrug am Bilanzstichtag CHF 8,315 Mrd., was CHF 1,226 Mrd. mehr war als zum Vorjahreszeitpunkt. Der Anstieg des Exposures resultierte aus den neuen VP.
Für die Veränderung des Exposurebestandes ist nicht allein das Neugeschäftsvolumen verantwortlich. Typischerweise wird dieses durch die Ausbuchung abgelaufener VP, die Rückzahlung versicherter Exportkredite sowie die Haftungsdauer und Wechselkursveränderungen der versicherten Geschäfte beeinflusst.
Das höchste Exposure nach Ländern wies die SERV – wie bereits in den vergangenen Jahren – mit CHF 1,285 Mrd. gegenüber der Türkei auf. Neu ist Usbekistan auf Platz 3 der Länderliste nach Engagement. Hier wurden in den vergangenen Jahren eine Reihe von Projekten im Textilsektor versichert. Im Jahr 2022 kam das auf Seite 27 vorgestellte Pathfinding-Projekt im Tourismus-Bereich hinzu (vgl. Aus der Praxis, Neuer Absatzmarkt für Schweizer KMU in Usbekistan). Bei Russland geht das Exposure seit Jahren zurück. Seit den im 2022 ergriffenen Sanktionsmassnahmen darf die SERV abgesehen von wenigen Ausnahmefällen keine neuen Projekte in dem Land mehr versichern.
Nationales und internationales Umfeld
Der Bundesrat hat im September 2022 entschieden, die im Zusammenhang mit der Covid-19 Pandemie beschlossene, befristete Vereinfachung der Wertschöpfungsregeln unbefristet fortzuführen. Die SERV kann somit Geschäfte mit einem schweizerischen Wertschöpfungsanteil von mindestens 20 Prozent vom Auftragswert ohne weitere Nachweise versichern. Die ebenfalls im Rahmen der Covid-19 Pandemie erhöhten Deckungssätze wurden per 31. Dezember 2022 wieder auf den vorherigen Stand gesenkt (80% für die Fabrikationskreditversicherung und 90% für die Bondgarantie).
Die internationalen Verhandlungen zur staatlichen Unterstützung von Exportkrediten waren im Jahr 2022 geprägt von Diskussionen zur Modernisierung des «Arrangements on Officially Supported Export Credits» (Arrangement). Die Regeln sollen vereinfacht und flexibilisiert werden. Diese Modernisierung hat zum Ziel, die Wettbewerbsnachteile gegenüber nicht-OECD-Ländern, die aus den bisher relativ starren Regeln resultieren, zu reduzieren. Dabei müssen die Regeln weiterhin im Einklang mit den Prinzipien der Welthandelsorganisation (WTO) sein, die bestrebt ist, staatliche Subventionierung von Exporten zu unterbinden. Weiter besteht die Absicht, die Förderung von klimafreundlichen Projekten im Arrangement zu verankern. Die Teilnehmenden hoffen bis im März 2023 einen Konsens zu finden. Die SERV bringt sich aktiv ein, damit diese Ziele erreicht werden und damit das Arrangement unter Einhaltung der Wettbewerbsgleichheit den heutigen Bedürfnissen angepasst wird.
Die SERV hat sich auch in diesem Jahr aktiv in den Meetings der Berner Union eingebracht. Die Schwerpunkte umfassten die Auswirkungen des Ukraine-Krieges und der Covid-19-Pandemie auf die Geschäftstätigkeit, Chancen und Risiken des immer wichtiger werdenden afrikanischen Marktes sowie die Klimapolitik.
Neben den multilateralen Kooperationen ist der SERV die Pflege und Stärkung ihrer bilateralen Beziehungen sehr wichtig. Sie pflegt deshalb einen regelmässigen Austausch mit anderen ECAs.
Die SERV kann Geschäfte mit einem schweizerischen Wertschöpfungsanteil von mindestens 20 Prozent vom Auftragswert ohne weitere Nachweise versichern.
OECD-Länderrisikokategorien
Stand am 31. Dezember 2022
Schäden und Forderungen
Die SERV verzeichnete im Berichtsjahr 23 neue Schadenfälle, für die sie Entschädigungen im Umfang von CHF 33,4 Mio. auszahlte. Die meisten davon betrafen kleinere Fälle. Hinzu kamen einige mittlere Schäden sowie zwei grössere Schäden in Polen und den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Durch frühzeitiges und engagiertes Vorschadenmanagement mit Massnahmen wie Umstrukturierungen der Fälligkeiten und der Verlängerung der Deckungen konnten weiterhin einige Schäden abgewendet werden. Nach der Covid-19-Pandemie ist mit dem Ukraine-Krieg die nächste Krise aufgezogen und lässt erwarten, dass in naher Zukunft mit einzelnen – unter Umständen grösseren – Schäden zu rechnen ist. Die SERV hat entsprechend finanzielle Rücklagen gebildet. Bislang blieb jedoch eine Schadenwelle aus der neuen Krisenregion in Osteuropa aus.
Schadenfälle
23
SCHADENZAHLUNGEN
in CHF Mio.
55
Im Recovery wurden 217 Schadenfälle in insgesamt 38 Ländern bearbeitet. Das Recovery gestaltet sich häufig schwierig sowie langwierig und hängt stark vom Land und von der Zahlungswilligkeit oder -fähigkeit des Schuldners ab. Dennoch gibt es immer wieder Erfolge durch die Einleitung von Rechtsverfolgungsmassnahmen im betreffenden Schuldnerland zu verzeichnen. Auch die Unterstützung durch politische Akteure wie Botschaften kann sich im Einzelfall sehr positiv auf das Recovery auswirken. Die grössten Rückflüsse kamen im Berichtsjahr mit CHF 6,4 Mio. aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, mit CHF 2,1 Mio. aus Kongo-Brazzaville und mit CHF 0,7 Mio. aus der Schweiz.
ÜBERSICHT SCHÄDEN UND FORDERUNGEN
Restrukturierungen & Umschuldungen
Die aufgrund der Covid-19-Krise 2020 getroffene internationale Vereinbarung über einen Zahlungsaufschub («Debt Service Suspension Initiative», DSSI) für die ärmsten Länder tangiert auch das Geschäftsjahr 2022: von den Ländern mit aktiven Umschuldungen mit der Schweiz wurden mit Kamerun und Pakistan Stundungen unter der DSSI für die Fälligkeiten 2020 bis Ende 2021 vereinbart. Seit Mitte 2022 erfolgen die Rückzahlungen.
Auch 2022 fanden Verhandlungen mit Argentinien und Kuba statt. Mit Kuba wurden keine nennenswerten Fortschritte erzielt; diese werden im Jahr 2023 fortgesetzt. Ende Oktober 2022 konnten die Gläubiger vom Pariser Club – darunter auch die Schweiz – mit Argentinien eine Neuregelung der bestehenden Umschuldung mit einer Rückzahlungsperiode von sechs Jahren bis September 2028 mit halbjährlichen Raten treffen. Die bilaterale Vereinbarung mit Argentinien dürfte im 1. Quartal 2023 unterzeichnet werden. Die erste Rückzahlung ist im Dezember 2022 erfolgt.
Die G20, die Länder des Pariser Clubs und weitere Gläubigerländer haben sich im November 2020 auf ein gemeinsames Rahmenwerk für die Schuldenbehandlungen über die DSSI hinaus («Common Framework») geeinigt. Ziel dieses Rahmenwerks ist eine Lösung für Länder zu finden, die über die DSSI hinaus Unterstützung benötigen, um ihre Liquiditätsprobleme zu überbrücken oder deren Staatsverschulden nicht tragfähig ist. Unter dem «Common Framework» haben Äthiopien und Sambia einen Antrag gestellt, wovon auch die SERV beziehungsweise die Schweiz betroffen ist. Zu den Anträgen liegen noch keine konkreten Lösungen vor.
Auch die SERV ist durch die LIBOR-Ablösung per Ende 2021 betroffen: Die Umschuldungsvereinbarungen von sechs Ländern basieren auf einer LIBOR-Basis und müssen auf eine neue Zinsbasis gestellt werden. Mit vier Schuldnerländern konnte die SERV im Berichtsjahr bereits Neuregelungen treffen; mit zwei Schuldnerländern ist die Schweiz in Verhandlung.
Die in der Tabelle «Guthaben aus Umschuldungsabkommen» (vgl. PDF S. 66) aufgeführten übrigen Länder, mit denen im Pariser Club Umschuldungsabkommen abgeschlossen wurden, sind im Berichtsjahr ihren Zahlungsverpflichtungen nachgekommen.